Saubere Hände Spital Muri
In der Schweiz kommt es bei rund 5 Prozent aller stationären chirurgischen Eingriffe im Verlauf des Spitalaufenthalts zu einer Infektion. Für 2000 der betroffenen Patientinnen und Patienten hat die Infektion tödliche Folgen. Die Händedesinfektion ist eine der ältesten und wirksamsten Massnahmen zum Schutz von Patientinnen und Patienten sowie Mitarbeitenden vor Infektionen.
Am 5. Mai 2018 fand jährlich weltweit zum neunten Mal der «Internationale Tag der Handhygiene» statt.
Petra Handler, Leitung Spitalhygiene, engagierte sich mit der Standaktion «Saubere Hände Spital Muri» zum Thema. Am Stand erfuhren Mitarbeitende sowie Besucherinnen und Besucher Spannendes zum Thema Händedesinfektion. Wie Patientinnen und Patienten mit einer wirksamen und korrekten Händedesinfektion geschützt werden können, erläutert Petra Handler im Interview.
Interview mit Petra Handler,
Leitung Spitalhygiene
Wie darf man sich Ihren Arbeitsalltag als Leitung Spitalhygiene vorstellen?
Mein vordergründiges Ziel ist es, eine gute und konstruktive Zusammenarbeit mit den unterschiedlichsten Interessenpartnern im Spital, aber auch extern aufzubauen und zu pflegen. Ich erachte es als sehr wichtig, kompetente Ansprechpartnerin in Sachen Spitalhygiene für alle Führungskräfte und Mitarbeitenden zu sein.
Zu meinen Aufgabenschwerpunkten gehören:
- Aufbau und Weiterentwicklung eines Hygiene-Managements inkl. fachspezifischer Konzepte
- Begehung aller Bereiche des Spitals zur Beobachtung und Optimierung hygienisch relevanter Prozesse
- Systematische Erfassung von Infektionen; Tätig werden bei Verdacht auf epidemische Spitalinfektionen
- Steuerungsmassnahmen gegen Spitalinfektionen
- Festlegung der abteilungsspezifischen Desinfektionspläne und Vorgaben zur Aufbereitung
(Reinigung, Desinfektion und Sterilisation) von Geräten und Medizinprodukten - Mitsprache bei der Anschaffung von hygienerelevanten Produkten und Geräten, ebenso bei Neu-, Zu- und Umbauten
- Durchführung von Schulungen und innerbetrieblichen Fortbildungen
- Initiierung von hygienerelevanten Projekten, Projektmitarbeit
Wo lauern im Spital die grössten Infektionsgefahren?
Pro Jahr sterben in Europa rund 91 000 Menschen aufgrund von nosokomialen Infektionen, also Infektionen, die im Spital entstehen. Typisch für eine «healthcare-associated» Infektion ist das Zusammentreffen meist stationärer Behandlung und medizinischer Interventionen. Darunter ist jede Massnahme diagnostischer, therapeutischer und pflegerischer Art zu verstehen. In aller Regel ist die Entstehung einer Infektion ein multifaktorielles Geschehen.
Ob es bei einem Kontakt zwischen potenziell pathogenen, also krankmachenden Erregern und Patienten zu einer Infektion kommt, hängt von erreger- und wirtsspezifischen Faktoren ab. Einfach gesagt gibt es Patienten, die ein wesentlich höheres Infektionsrisiko haben als andere und folglich ein «verstärktes Hygieneregime» benötigen. Dazu zählen beispielsweise Frühgeborene.
Es sollte unser aller Ziel sein, die Patientensicherheit zu erhöhen, indem Infektionen vermieden oder verringert werden. Dies erreichen wir schon zum Teil mit konsequenter Einhaltung der Basishygienemassnahmen, allen voran der Händedesinfektion.
Meiner Meinung nach ist es ebenso wichtig, dass unsere Mitarbeitenden in der unmittelbaren Patientenversorgung einen kompletten Impfschutz haben. Dazu gehört eine vollständige Grundimmunisierung gegen die typischen impfpräventablen Infektionskrankheiten wie Windpocken, Masern, Diphtherie, Mumps, Röteln und Pertussis. Nicht zu vergessen ist die jährliche Grippeimpfung. Damit schützt man die Patienten, sich selbst und sein privates Umfeld.
Wie werden in unserem privaten Alltag am häufigsten Infektionen übertragen?
Vor dem Hintergrund des steigenden Wohlstands und einer alternden Gesellschaft ist die Gesunderhaltung an die Spitze der kollektiven Aufmerksamkeit gerückt. Das Verhältnis zum Körper und zur Hygiene gilt als wichtiger Indikator für diesen gesellschaftlichen Wandel. Zeit unseres Lebens haben wir Kontakt mit einer Vielzahl überaus wandlungsfähiger Infektionserreger, denen unser Immunsystem nicht immer wirksam entgegentreten kann und wir letztendlich erkranken.
In unseren Breiten zählen die saisonale Influenza, die typischen Kinderkrankheiten oder Wasser- und Lebensmittelassoziierte Erkrankungen wie Campylobacter oder Hepatitis A zu den häufigsten Infektionskrankheiten.
Eine pauschale Empfehlung zur Verhütung solcher Erkrankungen kann nicht gegeben werden. Menschenansammlungen und Gemeinschaftseinrichtungen erhöhen grundsätzlich das Risiko einer Ansteckung. Eine «gute persönliche Hygiene und Sauberkeit» sind in jedem Fall den diversen Desinfektionsmassnahmen im häuslichen Umfeld vorzuziehen. Dazu gehören ebenso gezieltes Händewaschen wie eine gute Küchenhygiene (waschen von Obst und Gemüse, separate Verarbeitung von rohem Fleisch).
In diesem Zusammenhang sind aber auch die Vielzahl an sehr ernst zu nehmenden, sexuell übertragbaren Erkrankungen zu nennen. Beispielsweise haben sich im Jahr 2016 weltweit 1.8 Millionen Menschen neu mit HIV infiziert, rund 20 000 Menschen leben hier in der Schweiz mit HIV. Zu diesem sehr wichtigen Thema kann ich vor allem raten: «Safety First!»
Gibt es Gefahren, die grundsätzlich unterschätzt werden oder kaum bekannt sind?
Zunehmende Beachtung müssen wir künftig der möglichen Verbreitung von unterschiedlichen multiresistenten Erregern durch «Personentransfers» (Patienten, Personal und Besucher) geben.
Bereits genannte Patientenrisikofaktoren wie beispielsweise therapeutische Eingriffe, akute und chronische Wunden, Chemotherapie, hohes Lebensalter und die damit oft verbundene Antibiotikagabe begünstigen zum einen die Entstehung von Resistenzen, zum anderen eine Erkrankung durch diese. Kommt es nun zu einer Infektion und die zur Verfügung stehenden Antibiotika zeigen keine Wirkung mehr, kann die Krankheit einen kritischen Verlauf nehmen. Laut verfügbarer Daten kommt es in deutschen Spitälern pro Jahr zu 30 000 bis 35 000 Infektionen mit multiresistenten Erregern.
Diese Entwicklungen stellen künftig vermehrt Herausforderungen im Spitalalltag dar. Es werden sensitive Screening-Verfahren erforderlich sein, ebenso wie klare Definitionen der Risikogruppen, um zeitnah bei der Aufnahme der Patienten geeignete Hygiene- bzw. Isolierungsmassnahmen einzuleiten.
Der Fokus liegt aus meiner Sicht auch hier auf der Verhältnismässigkeit der Mittel. Demzufolge soll das Ausmass der eingesetzten Massnahmen in einem ausgewogenen Verhältnis zu dem Risiko für die Umgebung (Mit-Patienten, Personal, Besucher) stehen.
Welche Regeln gelten für die Händehygiene im Spital?
Die richtige Händehygiene ist eine der wichtigsten und zugleich einfachsten Massnahmen, um Krankheitsübertragungen zu verhindern. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) vertritt sogar die Ansicht, dass durch konsequente Händedesinfektion bis zu 40 % der nosokomialen Infektionen verhindert werden könnten.
Um unseren Mitarbeitenden eine praxisbezogene Umsetzung zu erleichtern, arbeiten wir mit dem WHO-Modell «Die 5 Indikationen der Händedesinfektion». In diesem Modell wird die Vielzahl der Einzelindikationen der Händedesinfektion in fünf Indikationsgruppen zusammengefasst.
Zu beachten ist ferner, dass keine Uhren, Ringe oder Armschmuck getragen werden und die Fingernägel kurz und sauber sind. Nagellack, künstliche Nägel oder Gelfüllungen beeinträchtigen ebenso den Erfolg der Händehygiene und sind im Spital für alle Berufsgruppen in der direkten Patientenversorgung untersagt.
Schädigt häufiges Händewaschen und die Händedesinfektion unsere Hände?
Grundsätzlich möchte ich vorausschicken, dass Mitarbeitende in der Patientenversorgung ein berufsbedingtes Risiko haben, Hautschäden zu erleiden. Es werden häufig die Händesdesinfektionsmittel als ausschliessliche Verursacher von Hautschäden angesehen, was jedoch keinesfalls zutrifft. Im Gegenteil, zahlreiche Untersuchungen haben gezeigt, dass die Desinfektion der Hände mit einem alkoholischen Präparat hautverträglicher ist, als das Waschen mit Wasser und Seife. Dies ist auf den Zusatz von rückfettenden Substanzen zurückzuführen. Weiters verwenden wir im Spital Muri ausschliesslich farbstoff- und parfumfreie Händedesinfektionsmittel und bieten für alle Mitarbeitenden Hautpflegeprodukte an. Unser Ziel ist es, berufsbedingte Hautschäden gar nicht erst entstehen zu lassen.
Wie möchte das Spital Muri zukünftig die Händehygiene bei Mitarbeitenden fördern?
Diesem so wichtigen Thema können wir nur mit einem multimodalen Ansatz zur Förderung der Compliance begegnen. Eine effiziente Strategie besteht darin, mit gezielten Massnahmen positive Faktoren zu fördern und negative Einflüsse auszuschalten. Wir werden uns verstärkt auf die Verfügbarkeit von Hände-Desinfektionsmitteln am Point of Care, das heisst beispielsweise an den Patientenbetten und auf Beobachtungen inkl. Rückmeldung des Hygieneverhaltens konzentrieren. Dabei werden die Abteilungen bei ihrem individuellen Händehygiene-Status abgeholt und Schritt für Schritt in der Verbesserung der Händehygiene-Compliance unterstützt. Der individuelle Ansatz, neue Technologien sowie die kontinuierliche Betreuung unterstützen einen nachhaltigen Compliance-Effekt. Der Startschuss für unsere Kampagne «Saubere Hände Spital Muri» erfolgte an unserem Aktionstag am 3. Mai 2018.
Wie können Besucher und Patienten dazu beitragen, dass Krankheitserreger sich nicht verbreiten?
Angehörige, Freunde und Bekannte unserer Patienten sind im Spital Muri sehr willkommen. Sie sind ein wichtiger Bestandteil für die Genesung und somit wichtige Partner der Pflege und Medizin. Es gibt aus hygienischer Sicht einige Regeln, die es zu beachten gilt. Besuche im Spital sollten nur dann stattfinden, wenn man gesund und frei von Infektionskrankheiten ist. Eine Händedesinfektion, spätestens beim Betreten des Patientenzimmers, sollte allen Besuchern nahegebracht werden und obligatorisch sein. Es sollten die öffentlich zugänglichen Toiletten benutzt werden und keineswegs die Patiententoiletten in den Zimmern. Weitere Schutzmassnahmen sind möglich, in Abhängigkeit mit der Erkrankung des Patienten. Ebenso dürfen Topfpflanzen oder Tiere nicht ins Spital.
* Nudge = englisch für Schubs/Stups. Unter einem «Nudge» versteht man eine Methode, das Verhalten von Menschen auf vorhersagbare Weise zu beeinflussen, ohne dabei auf Verbote und Gebote zurückgreifen oder finanzielle Anreize verändern zu müssen.